☰︎

Paulo Bittencourt

Freidenkertum, Humanismus und Atheismus

“Ich will nicht glauben, ich will wissen.”

Bücher↗︎EnglishPortuguêsEspañol

Was ist Freidenkertum?

So definiert das Aulete Wörterbuch das Wort Dogmatismus: “Absolute Überzeugung, nicht offen für Kritik”. Von allen Denkarten, welche ist die einzige, die absolut keine Art von Kritik duldet? Genau: die religiöse Denkart. Freidenkertum ist, wie der Name schon sagt, auf freie Weise denken, das heißt ohne Dogmatismus. Das, was dem Freidenkertum am meisten entgegensteht, weil am dogmatischsten, ist also die Religion.
Wenn Dogmatismus nicht auf freie Weise denken ist, ist Religion Gefangenschaft des Geistes. Eigentlich ist sie eine Diktatur: Sie diktiert, wie die Menschen denken müssen. Von allen Diktaturen ist Religion allerdings die perverseste: Sie ist die einzige, die Menschen zum Beispiel mit Folter nach dem Tod droht (in einem See aus Feuer und Schwefel und lediglich wegen Zweifeln).
Ein Freidenker ist, wer keine unbezweifelbaren und unbestreitbaren “Wahrheiten” akzeptiert, insbesondere die religiösen, die durch göttliche Offenbarung aufgezwungen werden. Wenn Offenbarungen etwas wert wären, müssten alle Religionen wahr sein. Tatsächlich kann jeder behaupten, eine Offenbarung gehabt zu haben, und niemand wird in der Lage sein zu beweisen, dass es sich um Wahnvorstellung oder Lüge handelt. Da für den Freidenker intellektuelle Ehrlichkeit über allem steht, für ihn ist Wahrheit nur das, was auf Beweisen beruht.
Der Freidenker ist nicht gegen die Existenz Gottes. Der Freidenker ist dagegen, ohne Beweise zu glauben und zu akzeptieren, ohne zu hinterfragen. Wenn die Existenz Gottes offensichtlich ist, warum glauben so viele Millionen Menschen nicht? Warum hören so viele Menschen, die glauben, auf zu glauben? Warum gibt es so viele Religionen, mit völlig unterschiedlichen Lehren über Gott? Wenn die Existenz Gottes offensichtlich wäre, gäbe es keine Notwendigkeit zu glauben, denn was offensichtlich ist wird nicht angezweifelt. Wenn es, um an Gott zu glauben, notwendig ist, Glauben zu haben, ist der Glaube selbst ein Beweis dafür, dass Gott nicht existiert.
Zusätzlich zu nicht akzeptieren, dass das Leben ein Ende hat und zu Angst vor der Hölle, glaube ich, dass die große Mehrheit der religiösen Menschen an Gott glaubt, weil sie es nicht erträgt, nicht zu wissen, warum das Universum existiert und wie das Leben entstand. Jedoch ist es keineswegs beschämend, nicht auf alle Fragen Antworten zu haben. Ganz im Gegenteil: Da es intellektuelle Ehrlichkeit ist, ist das Bewusstsein des Nichtwissens befriedigender als die Illusion des Wissens.

“Ich denke, es ist viel interessanter zu leben ohne zu wissen, als Antworten zu haben, die falsch sein können.”— Richard Feynman(Nobelpreis für Physik)

Wer “Wahrheiten” akzeptiert, die nicht auf Beweisen beruhen, ist irrational, und in der Irrationalität gibt es keine Kriterien. Leute, die zum Beispiel an Engel und Dämonen glauben, haben keine rationalen Gründe, die Existenz von Feen und Kobolden anzuzweifeln, und sind nicht in der Lage, diejenigen zu belächeln, die an Vampire und Werwölfe glauben. Überdies wer findet, dass ein Atheist zu sein unlogisch ist, kann es nicht unlogisch finden, wenn jemand zum Beispiel Yemayá oder Vishnu anbetet. Candomblezisten und Hinduisten sind keine Atheisten.
Nur Freidenker sind wahrhaftig rationale Menschen. Ihre Skepsis lässt sie von keiner Ideologie eingewickelt werden. Indem sie an nichts glauben, was nicht auf Beweisen beruht, sind Freidenker auch gegen jede Art von Aberglauben immun.

ENPTES